Sternstunde Philosophie. Ist Vertrauen gut – Oder Kontrolle besser?

Als Wissenschaftlerin mischt sie die Philosophie auf, als Mitglied des House of Lords die Politik: Baroness Onora O’Neill argumentiert auch mit 78 Jahren messerscharf. Den Brexit bezeichnet sie als Idiotie, die Rede von der Vertrauenskrise als falsche Analyse. Promoviert hat die umtriebige britische Philosophin bei keinem geringeren als John Rawls. Ihr philosophischer Gewährsmann ist aber in erster Linie Immanuel Kant. Dabei interessierte sie sich nie für reine Exegese, sondern arbeitete immer zu praxisrelevanten Fragen. Ihre Beiträge zu Fragen der globalen Gerechtigkeit, zur Verantwortung gegenüber Hungernden, zur Reproduktionsmedizin oder zu Menschenrechten wurden allesamt Klassiker. Das gilt auch für O’Neills strittige These, Vertrauen sei kein Wert an sich und auch Kontrolle sei nicht besser. Statt über Vertrauen sollte man viel mehr über Vertrauenswürdigkeit sprechen; statt Vertrauen zu fordern, sollte man anderen Grund dazu geben, einem vertrauen zu können. Was heisst das für die Politik?