Ohne diese Welt

2016 leben im Norden Argentiniens etwa 700 Mennoniten abgeschottet in einer Kolonie. Sie sprechen eine Frühform des Plattdeutschen und leben noch so, wie ihre Vorfahren im 18. Jahrhundert. Moderne Technologie und «weltliche» Schulbücher sind verpönt. Über allem steht die Bibel und die daraus abgeleitete Tradition. Und doch fragt sich manch einer, weshalb er kein Telefon besitzen, im Notfall aber eines benutzen darf. «Es ist», erklärt ein älterer Protagonist lapidar die Situation, «wie es ist». Bequem darf das Leben nämlich nicht sein, sonst erinnert man sich nicht an seinen Erlöser, erklärt ein anderer.

Doch die jungen Mennoniten sehen die Autos auf der Landstrasse vorbeirasen, hören heimlich Musik und leben in steter Diskrepanz zwischen Tradition und Neugier auf die Errungenschaften der Moderne. «Wir hoffen, dass ihr wiederkommt», erklärt einer dem Filmteam. Zerrissenheit und Sehnsucht werden deutlich.

Nora Fingscheidt nähert sich in ihrem Dokumentarfilm ganz sachte und mit viel Respekt dieser ungewohnten Lebenswelt an, wo die Männer den Ton angeben und die Frauen sich schweigend im Hintergrund halten; stets darauf bedacht, die strengen Regeln einzuhalten. Flucht und Verfolgung haben die Religionsgemeinschaft geprägt, den «Weltmenschen» begegnet man eher skeptisch. Dennoch gelingt es Fingscheidt, ganz intime Momente festzuhalten und tiefe Einblicke in eine Welt zu zeigen, die sich – da stimmen sogar die Mennoniten zu – zwangsläufig verändern wird.

Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp

«Ohne diese Welt», Deutschland 2017, Regie: Nora Fingscheidt, Verleih: Look Now!, Internet: https://www.looknow.ch/index.asp

Kinostart: 13. Dezember 2018