Nowhere Special

Es zerreisst einem schier das Herz, wenn man John dabei zusieht, wie er Passfotos von sich und seinem Söhnlein Michael in eine Erinnerungsbox packt. Die Kiste soll dem Vierjährigen später dabei helfen, sich seinen Vater zu vergegenwärtigen. Denn John hat nicht mehr lange zu leben. Und das ist schlimm, weil er alleinerziehend und ein ehemaliges Heimkind ist. Kein familiäres Netz kann ihn oder seinen Sohn auffangen. Deshalb versucht der verantwortungsbewusste John, das künftige Leben seines Sohnes selbst zu organisieren.

Die Besuche bei verschiedenen adoptionswilligen Paaren und Familien sind oft seltsam – nicht nur für den kleinen Jungen, der gar nicht weiss, um was es geht. Die Adoptionseltern in spe erzählen offen von Unfruchtbarkeit, hehrem Altruismus und innigen Herzenswünschen. John und Michael beobachten und hören zu. Welche könnte die ideale Familie für Michael sein? Wer ihn so lieben, wie John es tut? Die Entscheidung ist unmenschlich, das Vorhaben eigentlich auch: John, zunehmend von der Krankheit gezeichnet, zerbricht fast daran.

Zum Glück gibt es die verwitwete alte Dame, die mit Fensterputzer John über den Tod, die Unvergänglichkeit der Liebe und das Leben spricht. «Ich werde immer bei Dir sein. In der Luft. In den Sonnenstrahlen.» – «Und in den Trauben?» – «In denen werde ich auch sein!» Der letzte Dialog zwischen Vater und Sohn ist todtraurig und gleichzeitig zutiefst hoffnungsvoll – so, wie der gesamte, hochsensible und unglaublich berührende Spielfilm von Uberto Pasolini.

Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp

«Nowhere Special», Italien/Rumänien/Vereinigtes Königreich 2020; Regie: Uberto Pasolini ; Besetzung: James Norton, Daniel Lamont, Eileen O’Higgins; Verleih: Filmcoopi Zürich, http://www.filmcoopi.ch, Filmwebseite: https://www.filmcoopi.ch/movie/nowhere-special

Ab 5. August 2021 im Kino