Le gamin au vélo
Der elfjährige Cyril ist auf der verzweifelten Suche nach seinem Vater. Dieser hat seine Wohnung verlassen, sein Auto sowie das Fahrrad des Jungen verkauft und ist abgetaucht. Für Cyril, der in einem Heim platziert wird, ist dieses Verhalten unverständlich. Das Gefühl der Verlassenheit ist seine tiefe Verwundung und sein gewaltiger Antrieb. Verzweifelt sucht er nach dem Vater und findet bei einer beherzten Coiffeuse tatkräftige Hilfe. Vom Rabenvater verstossen wird Cyril delinquent und kommt in die Mühlen der Justiz. Doch entgegen jeglicher Erwartung zeigen die Gebrüder Dardenne einen Ausweg aus dieser verfahrenen Situation.
Sehr präzis in der Schilderung des Milieus, wirkt dieser Film weniger streng als das Drama «Le fils» (2002). Das hängt mit der sommerlichen Jahreszeit zusammen, aber auch mit der offeneren Bildeinstellung. Jérémie Renier bleibt in der Rolle des überforderten Vaters, den wir bereits aus «L’enfant» (2005) kennen. Neu ist die Wärme ausstrahlende Cécile De France, die als Pflegemutter dem Kind eine Zukunft geben will. Und es gibt sogar orchestrale Filmmusik, ein Stilmittel, das in dieser Form zum ersten Mal in einem Spielfilm der belgischen Brüder auftaucht; auch wenn es nur ein paar Akkorde sind. Dank der präzisen Inszenierung gelingt dem Regie-Duo ein atemraubend dichtes Drama über einen Jungen, der sein Heim verloren hat, aber seinem Schicksal nicht hoffnungslos ausgeliefert ist.
Charles Martig, Filmbeauftragter Katholischer Mediendienst
charles.martig@kath.ch
«Le gamin au vélo», Belgien/Frankreich/Italien 2011, Regie: Jean-Pierre und Luc Dardenne; Besetzung: Thomas Doret, Cécile De France, Jérémie Renier; Verleih: Xenix-Filmdistribution GmbH, http://www.xenixfilm.ch
Kinostart: 12. Januar 2012
«Le gamin du vélo» ist unser Film des Monats Januar und als pdf abrufbar. Film-des-Monats-Archiv |