Katholische Welt. Die Deggendorfer Gnad

«Die Judenfeindschaft hat ihre Wurzeln in religiösen Vorurteilen und Stereotypen, in der traditionellen Ablehnung des Judentums durch das Christentum». So hat es der Historiker und Politikwissenschaftler Julius Schoeps formuliert. Zum Holocaustgedenktag blickt «Katholische Welt» zurück auf lange auch in Bayern verwurzeltes antijüdisches Brauchtum innerhalb der katholischen Kirche: Die so genannte «Deggendorfer Gnad» war eine jährlich stattfindende Wallfahrt. Sie beruhte auf einer judenfeindlichen Legende aus dem Mittelalter. Im 18. Jahrhundert war die «Deggendorfer Gnad» derart populär, dass sich jedes Jahr bis zu 140’000 Menschen an der Wallfahrt beteiligt haben sollen. Am Beispiel dieses bayerisch-katholischen Brauchtums lässt sich zeigen, wie sich aus dem mittelalterlichen christlichen Antijudaismus der moderne Antisemitismus entwickelte, der schliesslich im Rassenantisemitismus und der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gipfelte. Erst 1992 hat der damalige Regensburger Bischof Manfred Müller das Spektakel um die «Deggendorfer Gnad» mit einer Bitte um Vergebung aufgelöst