Foudre

Die 17-jährige Elisabeth (eindringlich: Lilith Grasmug) steht im Sommer 1900 kurz davor, ihr Gelübde im Kloster abzulegen. Als ihre Schwester Innocente unerwartet stirbt, muss die Novizin jedoch auf den Familienhof in einem Walliser Tal zurückkehren, um in der Landwirtschaft zu helfen.

Zurück im Tal sucht Elisabeth nach der Wahrheit in Bezug auf die Todesumstände ihrer Schwester. Doch die Eltern schweigen und bleiben so Antworten schuldig. Dann findet Elisabeth jedoch Tagebucheinträge von Innocente. Aus ihnen wird klar, dass ihre Schwester im Ausleben ihrer Sexualität eine tiefe Verbindung zu Gott suchte. Das wurde in der konservativen Dorfgemeinschaft nicht gutgeheissen.

Das Spielfilmdebüt der Genfer Regisseurin Carmen Jaquier fängt die Rastlosigkeit einer jungen Frau ein, die mit ihren widersprüchlichen Gefühlen in Bezug auf ihren Glauben und ihr Bedürfnis nach Zuneigung kämpft. In visuell berauschenden Bildern wird damit die Geschichte von weiblicher Emanzipation inmitten erdrückender Gesellschaftsnormen erzählt.

«Foudre» wirkt zeitlos und doch sehr modern und ist dabei von einer tiefen Mystik durchdrungen, die unweigerlich die Verse von Teresa von Ávila ins Gedächtnis ruft. Ein kraftvoller Film voller Aufrichtigkeit, der eine ländliche Welt zeigt, in der die Menschen mit Ängsten und Konventionen ringen, wenn es um die eigene Identität geht. Damit macht «Foudre» bewusst, dass sich ein tiefer Glaube und der Drang nach Freiheit nicht ausschliessen.

Sarah Stutte

«Foudre», Schweiz 2022; Regie: Carmen Jaquier; ProtagonistInnen: Lilith Grasmug, Sabine Timoteo, Mermoz Melchior; Verleih: Sister Distribution; Homepage: http://www.sister-distribution.ch

Ab 13. April im Kino