Wild

Die junge Ania (eindringlich: Lilith Stangenberg) arbeitet als IT-Spezialistin in einer Agentur, wird von ihrem Chef schikaniert und von allen anderen ignoriert. Keine nennenswerten Bindungen, keine ersichtlichen Dinge, an denen ihr Herz hängt. Bis sie eines Abends auf dem Nachhauseweg im angrenzenden Waldstück einen Wolf sieht. Fortan geht ihr das Tier nicht mehr aus dem Kopf und sie beschliesst, es einzufangen und in ihrer kleinen, tristen Hochhauswohnung einzusperren. Durch das Zusammenleben mit dem Wildtier nimmt Ania vermehrt animalische Züge an und plötzlich wird die unscheinbare Frau von ihrer Umwelt registriert.

Schauspielerin und Regisseurin Nicolette Krebitz präsentiert mit «Wild» bereits ihre dritte Regiearbeit. Schon in «Das Herz ist ein dunkler Wald» verknüpfte sie surreale Szenen und Traumsequenzen mit einer realen Handlung. Diese setzt sie auch hier ein, allerdings viel subtiler, so dass die Grenzen fliessend sind. Das ist ungewöhnlich, experimentell, provokativ und verstörend, weil dem Ganzen eine rein egoistische, menschliche Handlung vorausgeht. Verblüffend dann, wenn das wildlebende Tier trotz Freiheitsentzug durch Ania eine Bindung zu ihr aufbaut und faszinierend in der Umkehrung, dass Ania erst durch die Gefangennahme des Wolfs ihrer eigenen Freiheit nachspüren kann. Doch vor allem ist es die beste Parabel über das Menschsein und die Identitätsfindung, die seit Langem im Kino zu sehen ist.

Sarah Stutte, Filmjournalistin

«Wild», Deutschland 2016, Regie: Nicolette Krebitz, Besetzung: Lilith Stangenberg, Georg Friedrich, Silke Bodenbender; Verleih: Praesens, Internet: http://www.praesens.com

Kinostart: 28. April 2016