Sister – L’enfant d’en haut

Ursula Meier begibt sich in das Alpengebiet und zeigt ein schmerzhaft realistisches Bild der Lebensbedingungen. Unterhalb der Skipisten gibt es das Leben des Talgrundes. Hier leben Menschen in Hochhäusern, hier raucht die Industrieanlage und dröhnt der Verkehr. Oben und unten sind die beiden Dimensionen, die der Film bespielt – eine Inszenierung auf der Senkrechten zwischen sonnigen Berggipfeln und schattigem Tal. Zwischen diesen beiden Welten pendelt der 12-jährige Simon mit einer kleinen Gondelbahn. Er erwirtschaftet mit dem Verkauf von gestohlenem Skimaterial einen bescheidenen, aber regelmässigen Erwerb. Er hält damit seine Schwester Louise und sich selbst über Wasser. Zusammen leben sie in einer kleinen Wohnung, essen ihre Sandwiches und zwischendurch auch einmal etwas Warmes.

Die Botschaft des sozialkritischen Films ist universal, auch wenn er deutlich erkennbar im Wallis spielt, ein Tal in den Klauen der «Zuhälter des ewigen Schnees» (Maurice Chappaz). Grossartig ist das Spiel des jungen Kacey Mottet Klein, der sich an die reichen Touristen heranmacht, sie in Sicherheit wiegt und im nächsten Moment ausraubt. Nichts ist an diesem Tun unmoralisch, denn seine Existenz hängt davon ab. So leiden wir mit, wenn er erwischt wird und seinen Saisonpass verliert. Doch die tragischen Aspekte dieses Lebens zwischen Reich und Arm zeigen sich erst im Konflikt zwischen Simon und seiner Schwester.

Charles Martig, Filmbeauftragter Katholischer Mediendienst
charles.martig@kath.ch

«Sister – L’enfant d’en haut», Schweiz/Frankreich 2012, Regie: Ursula Meier, Besetzung: Léa Seydoux, Kacey Mottet Klein, Gillian Anderson; Verleih: Filmcoopi Zürich, http://www.filmcoopi.ch

Kinostart: 26. April 2012