Persischstunden

«Ich bin Perser!» So rettet sich der Jude Gilles 1942 vor der Erschiessung durch ein SS-Kommando. Sein Beweis: ein Buch auf Farsi, das er kurz zuvor gegen Brot getauscht hat. Weil Hauptsturmführer Koch einen Persischlehrer sucht, wird Gilles verschont. Er nennt sich fortan Reza und muss Koch in Farsi unterrichten. Dumm nur, dass Reza kein Farsi spricht. In der Not erfindet er eine Fantasiesprache, die er, wie der Hauptsturmführer, auswendig lernen muss – von seiner Tarnung hängt sein Überleben ab.

Zwischen dem SS-Offizier und Reza entwickelt sich ein fragiles Vertrauensverhältnis. Protegiert von Koch, überlebt Reza das Lager und verlässt es gemeinsam mit dem Hauptsturmführer kurz bevor die Alliierten eintreffen. Als Koch unter falschem Namen in Teheran ankommt, erlebt er sein blaues Wunder… Dank Gilles‘ Erinnerungsvermögen erhalten 2’840 Tote einen Namen und ihre Würde zurück.

Vadim Perelmans Spielfilm ist trotz visueller Anleihen bei Spielberg oder Benigni kein Holocaust-Drama, wie wir es kennen. «Persischstunden» fokussiert auf die ambivalenten, kammerspielartigen Treffen von Koch und Reza, in denen das Vertrauensverhältnis und das Machtgefälle zwischen den ungleichen Männern ausgelotet wird. Die von Hannah Arendt beschriebene «Banalität des Bösen», das Negieren von Verantwortung, wird in den Dialogen greifbar: Koch: «Ich bin kein Mörder.» – Reza: «Du sorgst dafür, dass die Mörder gut speisen.»

Der grossartig gespielte Film bewegt, rüttelt auf und lässt uns nicht vergessen.

Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp

«Persischstunden» («Persian Lessons»), Deutschland/Russland 2019, Regie: Vadim Perelman, Besetzung: Nahuel Pérez Biscayart, Lars Eidinger, Jonas Nay; Verleih: Frenetic Films, Internet: http://www.frenetic.ch, Filmwebsite: https://www.frenetic.ch/katalog/detail//++/id/1189

Kinostart: 1. Oktober 2020