Im Land der verbotenen Kinder

Nie draussen im Schnee spielen, keine Familienausflüge in den Kinderzoo, keinen Kontakt zu Gleichaltrigen. So ging es nicht nur Luigi Fragale, der als Kind eines süditalienischen Saisonniers zweieinhalb Jahre heimlich in der Schweiz lebte. Die ersten Jahre seines Lebens waren geprägt von der Angst, entdeckt zu werden. Saisonniers war es damals per Gesetz verboten, die Familie nachzuziehen. Aber neun oder gar zehn Monate ohne Frau und Kind in der Fremde, das wollten und konnten viele nicht. Und so holten sie ihre Liebsten heimlich in die Schweiz und versteckten sie so gut es eben ging.

Andere, wie etwa der Musiker Fernando D’Amico, wuchsen bei den Grosseltern auf, sahen die Eltern nur wenige Monate im Jahr. Als D’Amicos Grossmutter krank wurde, verlegten ihn die Eltern in ein Internat in Domodossola, nahe der Schweizer Grenze. In Domodossola lebte D’Amico in einem von Kapuzinern geführten Internat, das vor allem Knaben aufnahm, deren Eltern als Saisonniers die Schweiz der Nachkriegszeit aufbauten.

Die beiden Dokumentarfilm-Cracks, Beat Bieri und Jörg Huwyler beleuchten in ihrem Film ein wirklich dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte, das leider nur wenig an Aktualität verloren hat; schliesslich leben auch heute gegen 90’000 Sans Papiers in der Schweiz. ausserdem stellt «Im Land der verbotenen Kinder» im Wahlkampfjahr auch ein wichtiges Zeitdokument dar, weil es aufzeigt, dass die Schweiz ihren Wohlstand zu einem Gutteil den Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Ausland zu verdanken hat.

Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp

«Im Land der verbotenen Kinder» Schweiz 2023; Regie: Beat Bieri und Jörg Huwyler; ProtagonistInnen: Luigi Fragale, Fernando D’Amico, Isabelle da Silva; Lindenfilm; gekürzte Version (50 Min) auf playsuisse.ch