El hoyo (Der Schacht)

Goreng erwacht in der fensterlosen Zelle eines Gefängnisses mit unzähligen Ebenen, die durch einen tiefen Schacht miteinander verbunden sind. Durch diese Öffnung fährt täglich eine reich gedeckte Essenstafel vom obersten – dem besten – Stockwerk bis zum untersten. Dabei hält der Tisch kurz auf jeder Plattform, damit sich die zwei Insassen dort bedienen können. So bleibt vom Essen nichts mehr übrig, lange bevor die letzte Etage erreicht ist. Dieses perfide Spiel wird dadurch verschärft, dass die Häftlinge jeden Monat die Räume wechseln. Glücklich schätzen kann sich, wer in einer Zelle mit einer tiefen Nummer erwacht – wer ganz unten ist, wird verhungern oder bringt sich vorher selbst um.

Der spanische Thriller ist eine moderne Variante der jüdischen «Allegorie der langen Löffel», die den hauchdünnen Unterschied zwischen Himmel und Hölle veranschaulicht. Sie erklärt, dass wir alle verhungern, wenn wir nur an uns selbst denken. Goreng will als moralisches Gewissen an die Solidarität seiner Mitgefangenen appellieren. Schnell begreift er, dass er dieses durch Gier und Angst getriebene System nur zerstören kann, wenn er seine eigenen Prinzipien ausser Kraft setzt.

«El hoyo» zeigt eine trostlose Welt in drastischen Bildern, aber am Ende doch einen Funken Hoffnung in sich tragen. Eine brandaktuelle Parabel, weil sie uns – angesichts der derzeitigen Reaktionen auf die Corona-Krise – unangenehm den Spiegel vor Augen hält.

Sarah Stutte, Filmjournalistin

«El hoyo», Spanien 2019, Regie: Galder Gaztelu-Urrutia; Besetzung: Ivan Massagué, Antonia San Juan, Alexandra Masangkay; Serienwebseite: https://www.netflix.com/ch/title/81128579

Seit 20. März auf Netflix