Der Läufer

Für sein grosses Ziel, den Olympia-Marathon, trainiert der Langstreckenläufer Jonas Widmer hart. Doch als er die Titelverteidigung seines Heimrennens verpasst, beginnt die Fassade des ruhigen jungen Mannes zu bröckeln. Immer öfter holen ihn Erinnerungen an seinen verstorbenen Bruder ein, dem er sich tief verbunden fühlte. Jonas reagiert in unkontrollierbaren Ausbrüchen darauf, worunter nicht nur die Beziehung zu seiner Freundin leidet. Er fängt an, nachts zu laufen und auf seinem Weg junge Frauen zu überfallen.

Der Zürcher Regisseur Hannes Baumgartner stellt in seinem ersten Langspielfilm wichtige Fragen, ohne Antworten darauf geben zu wollen. Warum wird ein scheinbar in die Gesellschaft integrierter Mensch plötzlich gewalttätig? Wie stark können verdrängte Erinnerungen und traumatische Erlebnisse jemanden beeinflussen und damit seinen inneren Kampf offenlegen? Baumgartners schnörkellos erzählte Geschichte wirkt nicht ohne Grund bedrückend realistisch: Sie orientiert sich am wahren Fall des Spitzensportlers Mischa Ebner, dessen beispiellose Gewaltserie sich in den frühen 2000er Jahren von Handtaschenraub bis hin zu Mord entwickelte und bis heute nicht wirklich erklärbar ist. Der Film nähert sich der ambivalenten Figur behutsam und versucht sie nicht zu psychologisieren. Vielmehr ist hier, mit Hilfe einer einmal mehr sehr guten Darstellung von Max Hubacher, die differenzierte Beobachtung einer zerrissenen, beängstigend vertrauten Seele gelungen.

Sarah Stutte, Filmjournalistin

«Der Läufer», Schweiz 2018, Regie: Hannes Baumgartner, Darsteller: Max Hubacher, Annina Euling, Luna Wedler, Verleih: Filmcoopi, http://www.filmcoopi.ch , Webseite: http://www.derlaeufer.ch

Kinostart 04.10.2018