Das Klagelied des Judas

Unter dem Apartheidsregime in Südafrika kämpften im berüchtigten «32-Bataljon» weisse Soldaten Seite an Seite mit übergelaufenen oder zwangsrekrutierten angolanischen Söldnern. Nachdem sich im Jahr 1993 das «32-Bataljon» aufgelöst hatte, blieben einige angolanische Veteranen in Südafrika. Dort leben sie seit rund 30 Jahren mit ihren Familien in ärmsten Verhältnissen in den Ruinen der ehemaligen Asbestmine von Pomfret. Der niederländische Dokumentarfilmer Boris Gerrets versucht in seinem letzten Film, diesen als Verräter gemiedenen Tätern, die zugleich Opfer sind, eine Stimme zu geben, damit sie aus ihrer Perspektive erzählen können.

Zuerst wollen sie nicht mit dem Fremden über ihre schreckliche Vergangenheit und ihre nicht minder schlimme Gegenwart reden. Sie wissen, dass sie Unrecht getan haben, wollen es sich jedoch nicht eingestehen. Doch dann hat Gerrets eine Idee und lässt die ehemaligen Soldaten die Geschichte des wohl bekanntesten Verräters nachspielen. Die Geschichte des Judas Iskariot.

Es sind eindrückliche Momente, wenn die Kriegsveteranen vom Kampf für Unabhängigkeit, von Schuld und Reue und ihrem Wunsch nach Vergebung erzählen. Die Verflechtung mit dem Judas-Narrativ macht die Zwiespältigkeit der begangenen Taten deutlich. Gerrets hat ein verstörendes Vermächtnis hinterlassen, dass die Verräter durch die wiedergefundene Sprache erneut zu Menschen macht und uns die Frage stellt: Gibt es Fehler, die man nicht vergeben kann?

Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp

«Das Klagelied des Judas» («Lamentations of Judas»), Frankreich, Niederlande 2020, Regie: Boris Gerrets; Besetzung: Jonas Luvango, Viana Sombreiro

Bis zum 21. Januar 2021 auf Arte gratis zum Streamen: https://www.arte.tv/de/videos/090000-000-A/das-klagelied-des-judas/