Anselm – das Rauschen der Zeit

«Der grösste Mythos ist der Mensch selbst», sagt Anselm Kiefer im filmischen Porträt von Wim Wenders. Anselm Kiefer gehört zu den bedeutendsten deutschen Künstlern seit dem Zweiten Weltkrieg. In seiner Arbeit lässt er sich von Mythen inspirieren. Schliesslich macht auch Wim Wenders in seinem Film «Anselm» den Künstler zu einem Protagonisten einer mythischen Erzählung. Die eines einsamen Menschen, verbannt, immerzu auf dem Weg, nie am Ziel.

Anselm Kiefer kam 1945 in Donaueschingen zur Welt, in den Ruinen des Zweiten Weltkriegs. Bereits als junger Künstler beklagte er das Schweigen seiner Elterngeneration über die nationalsozialistische Vergangenheit. Er provozierte mit einer Kunstaktion, in der er vom benachbarten Ausland den Hitlergruss ausrichtete. Anselm Kiefer brach das Schweigen auch mit grossformatiger Historienmalerei, die von niemandem übersehen werden konnte.

«Himmel, Erde, malen» schrieb der Künstler mit Pinsel auf eines seiner Gemälde. Wenn er auf der Hebebühne vor einer immensen Leinwand schwebt, wird Anselm Kiefer zum Schöpfer von menschenversehrten Welten, in denen einsame Figuren wandeln. Die Flucht daraus gelingt manchmal über Treppen, die nach oben führen oder mittels einer Strickleiter, die vom Himmel hängt. Auch auf Seilen verlassen Akrobaten die düsteren Welten.

Anselm Kiefer kommt nicht auf die Idee seine Werke zu erklären. Mit gespielten Rückblenden in die Vergangenheit des Künstlers, liefert uns der Regisseur genügend Kontext für den Mythos Anselm Kiefer.

Eva Meienberg

«Anselm», Deutschland 2023, Regie: Wim Wenders, Besetzung: Anselm Kiefer, Daniel Kiefer, Anton Wenders, Verleih: DCM Filmdistribution; Filmwebsite

Ab 10. Oktober im Kino