Jagten

Was genau ist vorgefallen? Aus heiterem Himmel liegt auf Lucas der Verdacht, die kleine Tochter eines Freundes missbraucht zu haben.  Bald muss er seinem Arbeitsplatz in einem Kindergarten fern bleiben. Selbst als das Mädchen zugibt, gelogen zu haben, bleiben die Erwachsenen sicher, dass Lucas nicht mehr zu trauen ist: Die Jagd ist eröffnet. Dabei – und dies erzählt der Film in aller Deutlichkeit – ist gar nichts vorgefallen.

Vor Jahren sorgte Regisseur Thomas Vinterberg mit «Festen» für Furore. Dort rechnet ein erwachsener Sohn mit seinem Vater ab, der ihn und seine Schwester als Kinder aufs Übelste sexuell missbraucht hat. Nun wendet sich Vinterberg in einer reifen Regiearbeit mit ausgefeilten Szenen erneut diesem schweren Thema zu. Allerdings dreht er den Spiess um und führt vor Augen, welche Dynamiken ausgelöst werden, wenn ein Verdacht erst einmal im Raum steht. Er siedelt seine Geschichte in überschaubarer Umgebung und unter befreundeten Familien an und zeigt, wie auch langjährige Freundschaften einer solchen Belastung kaum standhalten. Mads Mikkelsen gibt sensibel den unter Verdacht geratenen Lucas, der nicht glauben kann, dass ihm bald niemand mehr traut. Eine ausgezeichnete Studie nicht nur über die Wirkungslosigkeit der Unschuldsvermutung, sondern vor allem darüber, wie fragil Freundschaft und gefährdet Vertrauen ist – und wie schwierig es ist, einen Weg der Versöhnung zu finden.

Christine Stark, ehemalige reformierte Filmbeauftragte
christine.stark@ref.ch

«Jagten», Dänemark 2012, Regie: Thomas Vinterberg, Besetzung: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Alexandra Rapaport; Verleih: Frenetic-Films, http://www.frenetic.ch

Kinostart: 31. Januar 2013

Jagten» ist unser Film des Monats Februar und als pdf abrufbar. Film-des-Monats-Archiv

Auszeichnungen
Cannes 2012: Preis der Ökumenischen Jury, Silberne Palme für den Besten Darsteller
Europäischer Filmpreis 2012: Bestes Drehbuch

Religion präsent in Cannes (29. Mai 2012)