Amour

Georges und Anne haben ein erfülltes Leben hinter sich und wenden sich der letzten Lebensphase zu. Nach einem Konzertbesuch kommt es zu einem beunruhigenden Zwischenfall. Anne verfällt vorübergehend in einen katatonischen Zustand und reagiert nicht mehr auf Georges Fragen. Haneke erzählt darauf in einer Abfolge von Episoden eine Geschichte des Verfalls: zunehmende Immobilität, Demenz, Inkontinenz und Verlust der Sprache. Alle diese Ereignisse werden unspektakulär inszeniert.

Haneke bringt in diesem Kammerspiel seine Bühnenerfahrung ein und fordert seine Protagonisten bis an die Grenze. Vor allem Emmanuelle Riva als Anne setzt sich ohne Angst dem Verlust der physischen Kontrolle aus, während Jean-Louis Trintignant bei Georges auf den inneren Stress bei der Sterbebegleitung hinweist, der ihn von innen aufzehrt. Isabelle Huppert gibt die Tochter Eva in einer Nebenrolle kühl und besorgt zugleich. In dieser Dreierkonstellation entsteht eine Intimität und Komplizenschaft, die ihren Ursprung in der präzisen Schauspielführung hat. Die Beschränkung der Mise-en-scène auf das Wesentliche ermöglicht es den Schauspielerpersönlichkeiten, ihr Können voll zu entfalten. Damit treten ihre Gesichter und ihre Gesten in den Vordergrund. Alles Überflüssige ist aus den  Einstellungen getilgt. Das Ergebnis dieser meisterlichen Reduktion ist ein zutiefst berührender Film über die Liebe und die Vergänglichkeit der menschlichen Natur.

Charles Martig, Filmbeauftragter Katholischer Mediendienst
charles.martig@kath.ch

«Amour», Frankreich / Deutschland / Österreich 2012, Regie: Michael Haneke, Besetzung: Jean-Louis Trintignant, Emmanuelle Riva, Isabelle Huppert; Verleih: Filmcoopi Zürich, http://www.filmcoopi.ch

Kinostart: 4. Oktober 2012

«Amour» ist unser Film des Monats Oktober und als pdf abrufbar. Film-des-Monats-Archiv


Franz Grabner, Gerhard Larcher, Christian Wessely (Hg.): Michael Haneke und seine Filme.
Eine Pathologie der Konsumgesellschaft, Marburg 2012. 3. ergänzte und aktualisierte Auflage mit einem Beitrag von Charles Martig zum Film «Amour».

Emmanuelle Riva und Sr. Monja über «Amour»


Sterbehilfe und Palliativmedizin – ein Interview mit Kardinal Kurt Koch