The Whaler Boy

Den Blick starr auf die Frau auf dem Bildschirm gerichtet, wiederholt der junge Leshka in einem fort: «I want to be your wife».

In seinem abgelegenen Dorf im nordöstlichsten Zipfel Russlands braucht man keine Fremdsprachen. Hier lebt man vom Walfang. Entsprechend holprig sind Leshkas englische «Gehversuche». Aber das spielt auch keine Rolle. Seine Angebetete, ein amerikanisches Cam-Girl, das ihren Körper online und gegen Bares zu Verfügung stellt, kann ihn sowieso nicht hören.

Davon lässt sich Leshka jedoch nicht beeindrucken. Er will mit seiner Traumfrau zusammen sein und macht sich per Boot auf, um die Beringstrasse zu überqueren. Von Alaska aus will er dann nach Detroit. Dort vermutet er seine Angebetete. Aber natürlich kommt alles ganz anders …

Die Digitalisierung macht auch vor den entlegensten Regionen nicht halt. Die neuen Technologien stellen die Menschen vor unerwartete Herausforderungen. Einerseits eröffnen sie einen neuen Zugang zur Welt, andererseits können dadurch Weltbild und Selbstverständnis ins Wanken geraten. Wer bin ich und warum? – Essenzielle Fragen, gerade für Adoleszente.

Lakonisch à la Aki Kaurismäki fragt die Coming of Age-Geschichte: Wann ist ein Mann ein Mann? Philipp Yuryev setzt Leshkas Suche nach sich selbst sensibel und mit der nötigen Prise Humor um. Die wunderschönen Aufnahmen der kargen Natur und einfachen Lebensweise der Tschuktschen stehen in krassem Kontrast zur verpixelten Konsum-Welt des Internets. Wofür wird sich Leshka entscheiden?

Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp

«The Whaler Boy» (Kitoboy), Russland, Polen, Belgien 2021; Regie: Philipp Yuryev; Darstellende: Vladimir Onokhov, Kristina Asmus, Vladimir Lyubimtsev, Verleih: Xenix Filmdistribution GmbH; Filmwebseite: http://www.xenixfilm.ch/

Ab 11. November 2021 im Kino