Santiago, Italia

Am 11. September 1973 kommt es in Chile zum Militär-Putsch gegen die demokratisch gewählte, sozialistische Regierung von Präsident Salvador Allende. Allende stirbt und tausende Aktivistinnen und Unterstützer werden unter dem Vorsitz General Augusto Pinochets inhaftiert, gefoltert und getötet. Einigen gelingt es jedoch, sich in Santiago in die Italienische Botschaft zu retten. Dort leben zeitweilig bis zu 300 Politisch Verfolgte, die später nach Italien ausgeflogen werden. Davon, wie sie diese Zeit und den Neuanfang fernab der Heimat erlebt hatten, erzählen diverse Überlebende in dieser filmischen Parabel. In intimen Interviewsituationen rekonstruieren sie den Wandel Chiles von einer – mitunter idealisierten – Demokratie zur menschenverachtenden Diktatur.

Es ist nicht Nanni Morettis Ziel, den Schleier der Verklärung zu lüften, vielmehr stellt er sich entschieden auf die Seite der Verfolgten und schenkt den ehemaligen Militärs kaum Gehör. «Ich bin nicht unparteiisch» erklärt Moretti und strebt ein bestimmtes Ziel an: die emotionalen «Zeitzeugenberichte» beschwören ein Italien der Solidarität herauf, das als Antithese der aktuellen Migrationspolitik des Landes figuriert. Morettis aufwühlender Dokumentarfilm ist keine Aufarbeitung der chilenischen Geschichte, sondern eine dezidierte Kritik an der aktuellen italienischen Regierung, die ihre Häfen aus Angst vor einer Migrationsflut abzuschotten versucht und von den Flüchtenden als Fremde und nicht als Menschen spricht.

Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp

«Santiago, Italia», Italien 2018, Regie: Nanni Moretti, Verleih: Filmcoopi; http://www.filmcoopi.ch, https://www.filmcoopi.ch/movie/santiago-italia

Kinostart: 20. Juni 2019