Passage. Das Buch ist das Ungeheuer – Herman Melvilles Moby Dick

Mit seinem grandiosen Roman Moby Dick wurde Herman Melville weltberühmt posthum. Heute gehört das Buch über Kapitän Ahabs fanatischem Kampf mit dem weissen Wal zu den Meisterwerken der Weltliteratur. Zur Zeit seines Erscheinens hat der monströse Roman seine Zeitgenossen schlicht überfordert. Mit dem Furor alttestamentarischer Rachelust sticht Kapitän Ahab mit der Walfang-Brigg Pequod in See, das weisse Ungetüm Moby Dick, das ihm einst ein Bein abriss, zur Strecke zu bringen. Am Ende wird die kalte See zum Grab für die Pequod – allein der Erzähler Ishmael überlebt diese Reise ans Ende der Nacht. Genug Stoff für einen gradlinig erzählten Seefahrer-Roman mit Bestsellerqualitäten. Der vor 200 Jahren geborene Herman Melville enttäuschte aber sein Lese-Publikum und schuf in 135 Kapiteln nichts weniger als eine düstere psychologische Parabel auf die Grenzen des Menschseins. Moby-Dick ist ein unbändiger poetischer Steinbruch, Wal-Enzyklopädie, Untergangsdrama antiken Zuschnitts und Vorbote der literarischen Moderne