Juste la fin du monde

Louis hat Aids und wird bald sterben. Das bewegt den 34-Jährigen dazu, nach zwölf Jahren Abwesenheit nach Hause zurückzukehren, um sich für immer zu verabschieden. Schon auf der Reise ahnt er, dass dieses Unterfangen kein leichter Spaziergang, sondern ein steiniger Weg werden dürfte, den er sich erkämpfen muss. Prompt weicht die aufgeregte Vorfreude der verschiedenen Familienmitglieder schon bald Vorwürfen, mit denen sie den Rückkehrer konfrontieren, und die immer vehementer aus ihnen herausbrechen. – Eine Nähe zum biblischen Gleichnis des verlorenen Sohns fällt auf: auch Louis wird ein Festmahl bereitet; und auch sein Bruder (und nicht nur er) vermag sich nicht darüber zu freuen.

Mit «Juste la fin du monde» gelingt Regisseur Xavier Dolan ein wahrer Geniestreich: Er adaptiert das gleichnamige Theaterstück von Jean-Luc Lagarce aus dem Jahr 1990, indem er die Original-Dialoge konsequent und als Hommage an den verstorbenen Verfasser verwendet. Sein Filmdrama ist dank wuchtiger Einstellungen und raffiniert eingesetzter Musik sehr unterhaltsam. Jeder einzelne Charakter wird treffend und ausführlich gezeichnet – nahe und unausweichlich. So entsteht eine beklemmende Atmosphäre und eine Handlung, die in den Bann zieht und bis zum Schluss spannend bleibt – weil Dolan sein Werk versteht und weil die illustre Starbesetzung absolut hält, was sie auf dem Papier verspricht. Bei den Filmfestspielen von Cannes 2016 bekam Dolan für seinen Film den Grossen Preis der Jury und die Auszeichnung der Ökumenischen Jury.

Thomas Schüpbach, Pfarrer ref. Kirchgemeinde Zürich-Sihlfeld und Mitglied bei Interfilm

«Juste la fin du monde», Kanada/ Frankreich 2016; Regie: Xavier Dolan; Besetzung: Gaspard Ulliel, Nathalie Baye, Vincent Cassel; Verleih: Praesens-Film AG, Internet: http://www.praesens.com

Kinostart: 29. Dezember 2016

«Juste la fin du monde» ist unser Film des Monats Januar 2017 und als pdf abrufbar. Film-des-Monats-Archiv