Fai bei sogni

Mit neun Jahren verliert Massimo seine über alles geliebte Mutter durch einen – so wird im erzählt – plötzlichen Infarkt. Bereits damals beschleicht ihn ein Gefühl der Ungewissheit, das ihn bis ins Erwachsenenalter begleitet. Der inzwischen erfolgreiche Journalist leidet unter Panikattacken und Verlustangst verwehrt ihm jegliche tiefere Bindung zu anderen Menschen. Er kann seine Mutter und die Momente mit ihr nicht loslassen. In Italien führte die gleichnamige autobiografische Geschichte von Massimo Gramellini 2012 lange Zeit die Bestsellerlisten an. Altmeister Marco Bellocchio (I Pugni In Tasca) war sicher die richtige Wahl für die Verfilmung. Er, der für seine komplexen Innenansichten emotional Verwundeter ebenso bekannt ist wie für seine Kritik an italienischen Institutionen wie der Kirche oder der Familie, der Politik oder den Medien, verknüpft hier virtuos alle diese Komponenten zu einem wunderschön bebilderten Abschied einer längst vergangenen Ära. Und so scheint auch jede Einstellung aus der Zeit gefallen: Ein Turin in den 60ern, dessen sportliche Glanzlichter im Fussball wie im Turmspringen dreissig Jahre später nur noch Ruinen bezeugen, fein gewoben um die Trauer eines kleinen Jungen (toll gespielt von Nicolò Cabras!), dem auch nichts blieb ausser einer Handvoll Erinnerungen. Doch Bellocchio ist trotz aller Melancholie hoffnungsvoll. «Licht ist Leben» heisst es im Film. Und das sucht sich immer seinen Weg.

Sarah Stutte, Filmjournalistin

«Fai Bei Sogni», Italien 2016, Regie: Marco Bellocchio, Besetzung: Valerio Mastandrea, Bérénice Bejo, Nicolò Cabras; Verleih: Filmcoopi, http://www.filmcoopi.ch

Kinostart: 22. Juni 2017