Evangelische Perspektiven. Der Holocaust in Litauen – Die geheimen Notizen des Kazimierz Sakowicz

Vor 80 Jahren begann in einem Waldstück nahe Wilna der NS-Massenmord an etwa 100.000 Menschen: polnische Widerstandskämpfer, sowjetische Kriegsgefangene und rund 70.000 litauische Jüdinnen und Juden. Der polnische Journalist Kazimierz Sakowicz wohnte unweit des Tatorts und wurde so durch Zufall Augenzeuge der Massaker, die von Juli 1941 bis Juli 1944 dauerten. Akribisch dokumentierte er seine Beobachtungen auf kleinen Zetteln, die er in Flaschen eingeschlossen vergrub – bis er im Juli 1944 selbst von den Deutschen ermordet wurde. Jüdische Überlebende fanden Sakowiczs Notizen, konnten sie jedoch nicht entziffern. So landeten seine Zettel mit dem Stempelaufdruck «unleserlich» im Zentralarchiv Litauens und blieben jahrzehntelang unbeachtet. Bis die Shoa-Überlebende und ehemalige Partisanin Rachel Margolis in den 1990er Jahren die vergilbten, verschimmelten und nur schwer zu entziffernden Notizen fand, in akribischer Kleinarbeit entschlüsselte und damit ein unvergleichliches Dokument des Grauens dem Vergessen entriss. Der Historiker und Journalist Jim Tobias hat Rachel Margolis am Ort des Verbrechens interviewt und mit ihr eine deutsche Übersetzung von Kazimierz Sakowiczs Zeitdokument herausgegeben, das 2003 veröffentlicht wurde – eine erschütternde Chronik des Massenmords an den litauischen Juden