Calabria

«Kannst du ein Foto machen?» «Ja… Nein, geht nicht. Zu spät!» Das Unvermögen rechtzeitig aus dem fahrenden Auto heraus einen Schnappschuss von der einen oder anderen Sehenswürdigkeit zu machen, entwickelt sich im Verlauf von «Calabria» nicht nur zu einem «Running Gag»; vielmehr widerspiegelt der Dialog die Quintessenz von Pierre-François

Sauters dokumentarischem Roadmovie. «Lebe den Moment – zu schnell ist er vorbei.» Dieses Memento mori wird visuell durch die Tatsache verdeutlicht, dass der serbische Rom Jovan Nikolic und der Portugiese José Russo Baião einen Sarg im Kofferraum transportieren. Die zwei sind Angestellte eines Lausanner Bestattungsunternehmens und überführen einen in der Schweiz verstorbenen Italiener in seine kalabrische Heimat. Während der langen und anstrengenden Fahrt philosophieren die beiden ungleichen Männer – nebeneinander sitzend und frontal in die Kamera – über den Glauben, die Liebe, den Tod und das Leben. So unterschiedlich die Ansichten, so gern hört man ihnen zu, auch wenn sie schweigen. Die aussergewöhnliche Konstellation mit dem trockenen José, der nur glaubt, was er sieht und dem emotionalen Jovan, der eigentlich Musiker ist, führt zu Dialogen, die bisweilen hochkomisch aber auch tieftraurig und gehaltvoll sind. Etwa dann, wenn sich die beiden Männer über Seelenverwandtschaft austauschen oder nächtens den Weg zum Hotel suchen. Ein berührender Film, der lange nachhallt.

Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp

«Calabria», Schweiz 2016, Regie: Pierre-François Sauter, Besetzung: Jovan Nikolic, José Russo Baião; Verleih: Vinca Film, Internet: http://www.vincafilm.ch, Filmwebsite: http://www.mirafilm.ch/filme/Calabria

Kinostart: 29.06.2017