Bir Başkadır

Meryem hat Ohnmachtsanfälle und muss darum zur Psychiaterin Peri. Peri hält die junge, gottesfürchtige Frau mit akkurat gebundenem Kopftuch kaum aus. In der Supervision bei Gülbin verschafft sich die westlich gebildete Oberschichtfrau Luft. Völlig konsterniert und entnervt vom Konflikt mit der eigenen, Kopftuch tragenden Schwester bricht Gülbin die Supervision von Peri ab. Ausserdem ist Gülbin die Geliebte von Sinan und der wiederum ist der Arbeitgeber von Meryem, die heimlich in Sinan verliebt ist. Was sich anhört wie eine schlechte Kopie von Schnitzlers «Reigen», ist gerade der Hit am Bosporus.

Wo Asien und Europa aneinanderstossen, begegnen sich Menschen mit Weltsichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ihnen fehlt der gegenseitige Respekt. Sie arbeiten sich am Andern ab, um festzustellen, dass das Andere genauso ihr Eigenes ist.

Musik tönt aus einer anderen Zeit. Die Bilder, sorgfältig komponiert in wunderschönen Farbvarianten, sind wehmütige Tableaus. Das schräg einfallende Licht in die einfachen Holzhäuser, könnte schöner nicht sein. Nostalgisch lauscht man den Dialogen voller Pausen und Andeutungen.

In acht Folgen zeichnet die Netflix-Serie die Verwerfungen der türkischen Gesellschaft. Wie Kontinentalplatten stossen Religion und Säkularismus, Armut und Reichtum, Männer und Frauen, Gebildete und Ungebildete, Alte und Junge aufeinander. Der Schmerz ist gross. Aber es wird Neuland entstehen.

Eva Meienberg, Redaktorin Medientipp

«Bir Başkadır» («Acht Menschen in Istanbul»), TUR 2020, Regie: Berkun Oya; Besetzung: Öykü Karayel, Fatih Artman, Funda Eryiğit; Internet: https://www.netflix.com/ch/title/81106900