Paradies Glaube

Im Herzstück der Paradies-Trilogie wendet sich Ulrich Seidl dem katholischen Fundamentalismus in Österreich zu. Anna Maria ist Katholikin und vertritt ihre religiöse Überzeugung mit missionarischem Eifer. Mit einer Marienstatue zieht sie von Haus zu Haus und versucht, Einwanderer vom christlichen Glauben zu überzeugen. Für Anna Maria sind die religiösen Gegenstände eine Art Fetisch: besetzt durch Wünsche, Leidensphantasien und Erotik. Die Fetische dienen als Abwehr des Bösen und als magischer Schutz vor der Bedrohung durch das Fremde. Eines Tage kehrt ihr Ehemann Nabil nach Jahren der Abwesenheit aus Ägypten zurück. Er ist Muslim und mit einer Behinderung an den Rollstuhl gebunden. Der häusliche Kleinkrieg zwischen Anna Maria und Nabil zeigt die hässliche Seite des katholischen Fundamentalismus.

Ulrich Seidl hat mit seiner Paradies-Trilogie die Schattenseiten von Liebe, Glaube und Hoffnung im Visier. Berüchtigt ist seine radikale und unerbittliche Kritik am menschlichen Verhalten. Sein Stil mit langen und distanzierten Einstellungen besitzt eine poetische Kraft, zwingt aber auch zum Hinschauen. Damit ist der Zuschauer gefordert, eine Auseinandersetzung zu führen. Das ist grossartig und verstörend zugleich. Wenn der religiöse Bezug zur Welt ein menschliches Grundbedürfnis ist, dann hat Seidl mit diesem Film die Pathologie des Religiösen für das Kino neu entdeckt.

Charles Martig, Filmbeauftragter Katholischer Mediendienst
charles.martig@kath.ch

«Paradies Glaube», Österreich, Frankreich, Deutschland 2012, Regie: Ulrich Seidl, Besetzung: Maria Hofstätter, Nabil Saleh, Natalya Baranova, Rene Rupnik, Daniel Hoesl; Verleih: Praesens Film AG, http://www.praesens.com.

Kinostart: 9. Mai 2013