Barbara

«Spätestens jetzt hätten Sie mich fragen müssen, wo ich wohne.» Als Barbara von ihrem neuen Chef André nach Hause gefahren wird, ist ihr längst klar, dass er zu viel über sie weiss. Barbara ist eine Ärztin in der DDR, die in den Westen möchte und deswegen von der Stasi drangsaliert wird. Doch gerade die Begegnung mit André wird für sie zur eigentlichen Herausforderung. Obwohl unklar bleibt, wo er politisch steht, erweist er sich in seinem medizinischen Engagement als Seelenverwandter. Und während ihre heimlichen Fluchtvorbereitungen voranschreiten, stellt sich durch seine pure Präsenz zunehmend die Frage, ob sie nicht doch bleiben sollte.

«Barbara» ist ein meisterhaftes Drama. Vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, in der man niemandem trauen kann, ringt eine Frau um ihre persönliche Freiheit. Jedes Wort spiegelt eine Atmosphäre von Angst und Bespitzelung wider, das Eigentliche blitzt – wenn überhaupt – in Andeutungen und Blicken zwischen den Zeilen auf. In einer peinlichen Hotelszene schrumpfen die Verlockungen des Westens, wo eine Frau nicht mehr arbeiten «müsse», auf die Seiten eines Versandhauskatalogs zusammen. Nina Hoss und Ronald Zehrfeld verleihen ihren Figuren mit reduziertem Spiel eine grosse Tiefe. Dadurch öffnen sie den präzisen Film über die DDR zu einem universalen Drama über die Freiheit. Und diese kann letztlich auch darin bestehen, sich in einem unfreien System anderen Menschen zu zuwenden.

Christine Stark, reformierte Filmspezialistin
christine.stark@ref.ch

«Barbara», Deutschland 2012, Regie: Christian Petzold, Besetzung: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Jasna Fritzi Bauer; Verleih: Look Now!, http://www.looknow.ch, http://www.barbara-der-film.de

Kinostart: 14. Juni 2012


Reflexe. Christian Petzold und Nina Hoss zu ihrem Film «Barbara»
Mittwoch, 13. Juni, 10:00 Uhr, DRS2