Morgen

Einen Fremden sollst du nicht bedrängen und nicht quälen, seid ihr doch selbst Fremde gewesen im Land Ägypten (2. Mose 22,20 u.a.). Der Idee einer «Festung Europa» zum Trotz wird es Migrantinnen und Asylbewerber immer geben. Wie die Bibel das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft sieht, ist so eindeutig wie eine Google-Suche mit den Stichworten «Fremdling» und «Bibel» ergiebig. Nun kommt die Geschichte eines Grenzgängers ins Kino. Da ist der Rumäne Nelu, der in seiner Freizeit gerne angelt und eines Tages einen Mann aus dem Wasser fischt, der von der Türkei über Rumänien nach Ungarn gelangen möchte.  Er nimmt ihn bei sich auf, auch wenn er seine Sprache und sein Anliegen kaum versteht. Ihn über die Grenze zu schmuggeln wird zu einem heiklen Unterfangen.

Marian Crişan erzählt seinen Film mit feinen Beobachtungen und sinnigen Regieideen wie der Eröffnungsszene, in der Nelu beim Grenzübertritt einen geangelten Fisch verenden lässt, da dieser nicht über die EU-Aussengrenze darf. Die Grenzwächter schwanken zwischen Vorschriftentreue und Ermessen, in beidem wenig sicher. So sensibilisiert der Film für politische Dilemmata. Er macht Sinn und Unsinn gesetzlicher Vorschriften sichtbar und plädiert für das Menschliche, das in der Regel irgendwo dazwischen liegt. Am Internationalen Filmfestival in Locarno 2010 gewann der Film den Preis der Ökumenischen Jury und einen Spezialpreis der Internationalen Jury.

Christine Stark, Filmbeauftragte Reformierte Medien
christine.stark@ref.ch

«Morgen», Rumänien, Frankreich, Ungarn 2010, Regie: Marian Crişan, Besetzung: András Hatházi, Yilmaz Yalcin, Elvira Rimbu; Verleih: Secondo Film GmbH, Internet: http://www.secondofilm.com, Filmwebsite: http://www.morgen.ro

Kinostart: 28. Juli 2011

«Morgen» ist unser Film des Monats Juli und als pdf abrufbar.
Film-des-Monats-Archiv


Regisseur Marian Crişan zum Preis der Ökumenischen Jury 2010 in Locarno